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chenier Jaja. Dochdoch. Man riecht es jetzt uberall. An jeder
Straßenecke riecht man es. Aber wenn Sie mich fragen - nichts
Besonderes! Es kann sich bestimmt in keiner Weise messen mit dem, welches
Sie komponieren werden, Herr Baldini.
baldini Naturlich nicht.
chenier Es riecht uußerst gewuhnlich, dieses >Amor und
Psyche
baldini Vulgur?
chenier Durchaus vulgur, wie alles von Pelissier. Ich glaube, es ist
Limettenul darin.
baldini Wirklich? Was noch?
chenier Orangenblutenessenz vielleicht. Und vielleicht Rosmarintinktur.
Aber ich kann es nicht sicher sagen.
baldini Es ist mir auch vullig gleichgultig.
chenier Naturlich.
baldini Es ist mir schnurzegal, was der Stumper Pelissier in sein
Parfum gepanscht hat. Ich werde mich nicht einmal davon inspirieren lassen!
chenier Da haben Sie Recht, Monsieur.
baldini Wie Sie wissen, lasse ich mich nie inspirieren. Wie Sie wissen,
erarbeite ich meine Parfums.
chenier Ich weiß, Monsieur.
baldini Gebure sie allein aus mir!
chenier Ich weiß.
baldini Und ich gedenke, fur den Grafen Verhamont etwas zu kreieren,
was wirklich Furore macht.
chenier Davon bin ich uberzeugt, Herr Baldini.
baldini Sie ubernehmen den Laden. Ich brauche Ruhe. Halten Sie mir
alles vom Leibe, Chenier...
Und damit schlurfte er, nun gar nicht mehr statuarisch, sondern, wie es
seinem Alter zukam, gebeugt, ja fast wie geprugelt, davon und stieg langsam
die Treppe zum ersten Stock hinauf, wo sein Arbeitszimmer lag. Chenier nahm
den Platz hinterm Kontor ein, stellte sich genauso hin, wie zuvor der
Meister gestanden hatte, und schaute mit starrem Blick zur Ture. Er wusste,
was in den nuchsten Stunden passieren wurde: numlich gar nichts im Laden,
und oben im Arbeitszimmer Baldinis die ubliche Katastrophe. Baldini wurde
seinen blauen, von Frangipaniwasserdurchtrunkten Rock ausziehen, sich an den
Schreibtisch setzen und auf eine Eingebung warten. Diese Eingebung wurde
nicht kommen. Er wurde hierauf an den Schrank mit den Hunderten von
Probefluschchen eilen und aufs Geratewohl etwas zusammenmixen. Diese
Mischung wurde missraten. Er wurde fluchen, das Fenster aufreißen und
sie in den Fluss hinunterwerfen. Er wurde etwas anderes probieren, auch das
wurde missraten, er wurde nun schreien und toben und in dem schon betuubend
riechenden Zimmer einen Heulkrampf bekommen. Er wurde gegen sieben Uhr
abends elend herunterkommen, zittern und weinen und sagen:
"Chenier, ich habe keine Nase mehr, ich kann das Parfum nicht geburen,
ich kann die spanische Haut fur den Grafen nicht liefern, ich bin verloren,
ich bin innerlich tot, ich will sterben, bitte, Chenier, helfen Sie mir zu
sterben!" Und Chenier wurde vorschlagen, dass man zu Pelissier schickte um
eine Flasche >Amor und Psyche
Bedingung, dass kein Mensch von dieser Schande erfuhre, Chenier wurde
schwuren, und nachts wurden sie heimlich das Leder fur den Grafen Verhamont
mit dem fremden Parfum beduften. So wurde es sein und nicht anders, und
Chenier wunschte nur, er hutte das ganze Theater schon hinter sich. Baldini
war kein großer Parfumeur mehr. Ja, fruher, in seiner Jugend, vor
dreißig, vierzig Jahren, da hatte er >Rose des Sudens
und >Baldinis galantes Bouquet
er sein Vermugen verdankte. Aber jetzt war er alt und verbraucht und kannte
die Moden der Zeit nicht mehr und den neuen Geschmack der Menschen, und wenn
er uberhaupt noch einmal einen eigenen Duft zusammenstoppelte, dann war es
vollkommen demodiertes, unverkuufliches Zeug, das sie ein Jahr sputer
zehnfach verdunnten und als Springbrunnenwasserzusatz verhukerten. Schade um
ihn, dachte Chenier und uberprufte den Sitz seiner Perucke im Spiegel,
schade um den alten Baldini; schade um sein schunes Geschuft, denn er wird's
herunterbringen; und schade um mich, denn bis er's heruntergebracht haben
wird, bin ich zu alt, um es zu ubernehmen...
11
Zwar hatte Giuseppe Baldini seinen duftenden Rock ausgezogen, aber nur
aus alter Gewohnheit. Der Duft des Frangipaniwassers sturte ihn schon lungst
nicht mehr beim Riechen, er trug ihn ja schon seit Jahrzehnten mit sich
herum und nahm ihn uberhaupt nicht mehr wahr. Er hatte auch die Ture des
Arbeitszimmers zugeschlossen und sich Ruhe ausgebeten, aber er setzte sich
nicht an den Schreibtisch, um zu grubeln und auf eine Eingebung zu warten,
denn er wusste viel besser als Chenier, dass er keine Eingebung haben wurde;
er hatte numlich noch nie eine gehabt. Zwar war er alt und verbraucht, das
stimmte, und auch kein großer Parfumeur mehr; aber er wusste, dass er
im Leben noch nie einer gewesen war. >Rose des Sudens
seinem Vater geerbt und das Rezept fur >Baldinis galantes Bouquet
einem durchreisenden Genueser Gewurzhundler abgekauft. Die ubrigen seiner
Parfums waren altbekannte Gemische. Erfunden hatte er noch nie etwas. Er war
kein Erfinder. Er war ein sorgfultiger Verfertiger von bewuhrten Geruchen,
wie ein Koch war er, der mit Routine und guten Rezepten eine große
Kuche macht und doch noch nie ein eigenes Gericht erfunden hat. Den ganzen
Hokuspokus mit Labor und Experimentieren und Inspiration und Geheimnistuerei
fuhrte er nur auf, weil das zum stundischen Berufsbild eines Maitre
Parfumeur et Gantier gehurte. Ein Parfumeur, das war ein halber Alchimist,
der Wunder schuf, so wollten es die Leute - gut so! Dass seine Kunst ein
Handwerk war wie jedes andere auch, das wusste nur er selbst, und das war
sein Stolz. Er wollte gar kein Erfinder sein. Erfindung war ihm sehr
suspekt, denn sie bedeutete immer den Bruch einer Regel. Er dachte auch gar
nicht daran, fur den Grafen Verhamont ein neues Parfum zu erfinden. Er wurde
sich allerdings auch nicht am Abend von Chenier uberreden lassen, >Amor
und Psyche
auf dem Schreibtisch vor dem Fenster, in einem kleinen Glasflakon mit
geschliffenem Stupsel. Schon vor ein paar Tagen hatte er es gekauft.
Naturlich nicht persunlich. Er konnte doch nicht persunlich zu Pelissier
gehen und ein Parfum kaufen! Sondern durch einen Mittelsmann, und dieser
wieder durch einen Mittelsmann... Vorsicht war geboten. Denn Baldini wollte
das Parfum nicht einfach zum Beduften der spanischen Haut verwenden, dazu
hutte die geringe Menge auch gar nicht ausgereicht. Er hatte etwas
Schlimmeres im Sinn: Er wollte es kopieren.
Das war ubrigens nicht verboten. Es war nur außerordentlich
unfein. Das Parfum eines Konkurrenten heimlich nachzumachen und unter
eigenem Namen zu verkaufen, war schrecklich unfein. Aber noch unfeiner war
es, sich dabei ertappen zu lassen, und darum durfte Chenier nichts davon
wissen, denn Chenier war geschwutzig.
Ach, wie schlimm, dass man sich als rechtschaffener Mann gezwungen sah,
so krumme Wege zu gehen! Wie schlimm, dass man das Kostbarste, was man
besaß, die eigene Ehre, auf so schubige Weise befleckte! Aber was
sollte er tun? Immerhin war der Graf Verhamont ein Kunde, den er keinesfalls
verlieren durfte. Er hatte ja ohnehin kaum noch einen Kunden. Er musste der [ Pobierz całość w formacie PDF ]
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